Besonderheiten der schottischen Pot Stills

Wie viele Brennblasen sind genug?

Aus Prinzip benötigt eine schottische Whiskybrennerei nur eine Brennblase. Denn auch mit einer einzelnen Brennblase lässt sich ein Roh- und ein Feinbrand ausführen. Man muss nur das aufgefangene Endprodukt der ersten Destillation, die sogenannten Low Wines, nach der Entleerung der Brennblase von den Destillationsrückständen, dieser wieder als Ausgangsstoff zuführen. Während die erste Destillation meist schnell und stürmisch erfolgt, lässt man sich bei der zweiten Destillation mehr Zeit. So kann man die gewünschten Destillationsprodukte vom Rest sauber trennen.

Doch so ein Vorgehen hat mehrere Nachteile. Beim zweiten Durchgang ist die Brennblase nur noch zum Teil gefüllt und der technische Wirkungsgrad der Anlage nimmt ab. Dies kann man verhindern, indem man die Ergebnisse mehrerer Rohbrandläufe in einem Zwischenbehälter zusammenfasst und man den Feinbrand nach immer zwei oder drei Rohbränden in entsprechend größerer Menge auf der Brennblase fertig brennt.

Der größere Nachteil ist die gleiche Brennblasenform für beide Brennvorgänge. Eine der beiden Destillationen wird damit nicht optimal ablaufen. Ist dies die zweite, wird nicht das optimale Geschmackserlebnis erzielt.

Die Whiskydestillation wird deshalb bis auf wenige Ausnahmen auf zwei Brennblasen ausgeführt. Details zum Destillationsprozess finden Sie hier (Link). So sind beide Brennblasen auf das jeweilig gewünschte Ergebnis optimiert und man produziert gleichzeitig die doppelte Menge. Damit nicht eine Brennblase vor der anderen fertig wird, stimmt man beide Brennblasen in der Größe aufeinander ab. Die Spirit Still ist damit in der Regel kleiner als die Wash Still. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Hin und wieder ist die Wash Still auch kleiner. Es kommt auf die eingestellten Destillationsgeschwindigkeiten an. Sie bestimmen maßgeblich die Größe der Brennblasen.

Viele der heutigen, schottischen Malt Whisky Brennereien wurden in der Vergangenheit mit zusätzlichen Brennblasen erweitert, um die Produktionskapazität zu erhöhen. So sind Brennereien mit vier oder sechs paarweise aufgestellten Brennblasen keine Seltenheit.

Sonderfälle stellen Brennereien dar, die mit drei Brennblasen ausgerüstet sind. So rühmt sich die Brennerei Auchentoshan in den Lowlands, dass sie jeden Whisky dreifach brennen. Zwischen die Wash Still (Rohbrand) und die Spirit Still (Feinbrand) ist eine Intermediate Still angeordnet. Über diese Vorgehensweise lassen sich höhere Alkoholgehalte und damit weniger Beistoffe im Feinbrand erreichen, was letztendlich bei Verdünnung auf die selbe Trinkstärke zu einem milderen Destillat führt.

Doch kommen wir zurück zu Brennereien mit mehreren Brennblasen. In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden viele der heutigen Großbrennereien gebaut bzw. ausgebaut. In einem großen Brennhaus mit einer Glasfront stehen ordentlich in einer Reihe typischerweise sechs Brennblasen. Teaninich, Caol Ila, Glen Ord, Clynelish, … Die Liste dieser Brennereien mit sechs Brennblasen ist lang. Dabei werden die Brennblasen immer paarweise betrieben. Eine Wash Still arbeitet auf eine Spirit Still. Es gibt aber noch größere Brennereien: Glenmorangie arbeitet z.B. mit 10 Brennblasen und lange Jahre war die Tomatin Brennerei mit 23 Brennblasen der Produktionsmeister in Schottland. Der heutige Spitzenreiter in Anzahl der Brennblasen ist Glenfiddich mit 28 Stück. 10 Wash Stills mit jeweils 9.100 Litern arbeiten auf 18 Spirit Stills mit jeweils 4.550 Litern Fassungsvermögen.

Sehr schön ist an diesen Großbrennereien zu sehen, dass die Anzahl an Brennblasen nicht paarweise aufgeht. Die Größe und Form der Brennblasen bestimmt den Geschmack und der Produktionsprozess leitet die Flüssigkeiten an die jeweils freie Pot Still weiter.

An Hand der Brennerei Tomatin lässt sich eine Besonderheit erklären. Nachdem die Nachfrage nach Malt Whisky aus dieser Brennerei für die Blended Whisky Produktion abnahm, wurde auch die Anzahl an Brennblasen reduziert. Von ehemals 23 Brennblasen sind nur noch 11 übrig geblieben. Sechs Wash Stills und fünf Spirit Stills. Die Besonderheit dieser Anlage ist die Aufteilung der Brennblasen. Jeweils drei Wash Stills arbeiten auf zwei Spirit Stills. Das gibt nach Adam Riese nur 10 Brennblasen. Ein elfte Brennblase (Spirit Still) steht als Reserve bereit, sollte es zu einem Problem in der Produktion mit einer der anderen Spirit Stills kommen.

An diesen Beispielen ist schön zu erkennen, dass sich jede Brennerei über die Jahrhunderte ihrer Existenz evolutionär verändert hat. Manche sind so geblieben, wie sie waren; andere wurden massiv erweitert und umgebaut. Jede Veränderung hat dabei seine Auswirkungen auf das Fertigprodukt. Entwickelte sich die Brennerei in eine geschmacklich unvorteilhafte oder einfach nicht nachgefragte Richtung, kann das immer das Aus für die Brennerei bedeuten. Viele Brennereien wurden in der Vergangenheit geschlossen und aufgegeben, weil ihr Malt Whisky einfach nicht mehr benötigt wurde. Der Zeitgeist hatte sich verändert.

Der größte Whiskyhersteller der Welt Diageo leistete sich sogar die Versuchsbrennerei Pittyvaich in Dufftown. Nachdem sie nicht mehr benötigt war, wurde sie recht zügig im Jahr 2003 wieder abgerissen. Aber auch in anderen Brennereien wird experimentiert. So versuchte man nach der Jahrtausendwende in der Dailuaine Brennerei den Rohbrand von Cardhu zu imitieren. Mit ziemlich großem Erfolg, wie man an dem für kurze Zeit erhältlichen Cardhu Pure Malt feststellen konnte.

Die Brennerei Springbank ist eine der Brennereien mit drei Brennblasen. Hier arbeitet man für den weichen Hazelburn im Lowland Style mit drei nacheinander geschalteten Brennblasen wie bei Auchentoshan. Den kräftigen Longrow produziert man dagegen nur mit zwei Brennblasen, wie es auf der benachbarten Insel Islay der Fall ist. Ein ganz besonderer Fall ist der Springbank Single Malt. Er wird mit einer Mischung des Outputs der zweiten und dritten Brennblase hergestellt. Hier spricht man von einer 2,5-fachen Destillation, auch wenn das nicht ganz richtig ist. Denn das Verhältnisse der Ausgaben der Brennblasen werden nicht 1:1 miteinander vermischt.

Den kompliziertesten Brennprozess hat jedoch die in Dufftown beheimatete Mortlach Brennerei. Die 2014 erschienenen neuen Abfüllungen (Rare Old, 18 Jahre, 25 Jahre) tragen auf der Flasche eine merkwürdige Zahl von 2,81. Sie steht für das rechnerische Verhältnis von zweifacher zu dreifacher Destillation. Mortlach hat drei Wash Stills (Nummer 1 bis 3) und drei Spirit Stills (Nummer 1 bis 3), jedoch keine Intermediate Still. Das Besondere an Mortlach ist der Brennprozess, der auf der kreuz und quer verbundenen Anlage läuft. Wash Still 3 und Spirit Still 3 arbeiten wie man es erwartet. Der gesamte Output der Wash Still 3 wird der Spirit Still 3 zugeführt und von dort aus geht es in die Fässer.

Wash Still 1 und Wash Still 2 arbeiten anders. Dazu muss man wissen, dass sich während des Anfangs der Destillation leichtere Aromen im Auffangbehälter sammeln, als im späteren Teil der Destillation. Das ist physikalisch leicht erklärt. Die leichteren Aromen verdampfen bei niedrigeren Temperaturen. Man sammelt das Ergebnis des ersten Teils der Destillationen der Wash Stills 1 und 2 getrennt vom zweiten Teil. Man hat also kräftige und leichte Low Wines getrennt vorliegen. Den größeren, leichtere Teil führt man der Spirit Still 2 zu und nach deren Destillation geht es gemeinsam mit dem Output der Spirit Still 3 zur Fassabfüllung.

Mit dem schwereren, kräftigeren, kleineren Teil der Low Wines der Wash Stills 1 und 2 verfährt man besonders. Man führt sie der ersten Spirit Still zu, die den Beinamen Wee Witchie (Kleine Hexe) trägt. Sie ist die kleinste der drei Spirit Stills und muss Schwerstarbeit leisten. Denn die schwereren Bestandteile der Wash Stills Nummer 1 und 2 werden in dieser kleinen Brennblase dreifach redestilliert, bevor das Ergebnis ebenfalls den Fässern zugeführt wird. Rein rechnerisch kann man diese Destillation mit einer 2,81-fachen Destillation vergleichen. Doch das trifft die Sache nicht. Dieses Destillationsverfahren ist einzigartig und führt zu ganz anderen Ergebnissen als eine 2,8-fache Destillation, die aus einer einfachen Mischung eines Outputs aus einer doppelten und dreifachen Destillation entstünde.

Schottlands Brennereien sind voll von diesen kleinen Juwelen und geschichtlich gewachsenen Brennprozessen. Die einen werben damit, die anderen halten sich mit ihren Geheimnissen weitgehend zurück. Soll das fertige Produkt für sich sprechen.