Warum genießen wir Whisky?

Eine Frage des guten Geschmacks

Im vergangenen Monat wurde ich mit einer Frage konfrontiert, die man mit erstaunlicherweise noch nie so gestellt hatte. Warum trinken Sie Whisky? Weil's schön macht – sicherlich nicht. Nehmen wir uns ein wenig Zeit, um dieser Frage nachzugehen.

In unserer Jugend haben wir Whisky in der Disco wegen der Außenwirkung getrunken. Die Betonung liegt hier auf dem Wort trinken und nicht genießen. In der pubertären und spätpubertären Phase des Homo sapiens legt das einzelne Individuum während sozialen Treffen mehr Wert auf die Außenwirkung, als auf das innere Erlebnis.

Es gilt vielmehr: 'Zeige mir was du trinkst und ich glaube Dir, was Du zu sein scheinst.' Im Gehirn des Gegenüber und möglichen Partners entsteht damit ein Gedankenmix, der vor allem von Hormonen vielfältiger Art und seinerseits Alkohol beeinflusst ist. Trinkt man zu viel Alkohol, so kann das Gegenüber auch mal schöner werden…

In meiner Jugend, die nun auch schon ein paar Jahrzehnte vorbei ist, dominierte im gesellschaftlichen Leben der American Way of Life. Soll heißen das Streben nach persönlichem Glück, Rock- und Popmusik, Autos mit V8 Motoren, Weltraumflügen und einem allgemeinen Bejahen von Wohlstand und Fortschritt. Zu diesem Lebensgefühl gehörte auch immer ein Glas Whisky bzw. Whiskey, wie es uns Dean Martin, Humpfrey Bogart und Sean Connery im Kino vormachten. Dass es hier Unterschiede zwischen Scotch und Bourbon gab, sollte uns erst später bewusst werden.

Doch zunächst erfolgte bei den meisten von uns ein unangenehmer Zusammenstoß mit einer Flasche Whisky. Zu irgendeiner Gelegenheit an irgendeinem Ort saß man mit seinen pubertierenden Freunden zusammen und auf einmal stand eine Flasche Whisky in der Runde. Der eine brachte sie aus der Bar seines Vaters und der andere hatte Beziehungen zu amerikanischen oder britischen Soldaten, die über ihre Nachschubwege die tollsten Whiskys in größten Flaschen billig 'besorgen' konnten. Und damit nahm das Unglück seinen Lauf.

Am nächsten Morgen dröhnte uns mindestens der Schädel und bereits in der Nacht machte uns unser Magen berechtigte Probleme. Man trinkt Whisky halt nicht so unbeschwert wie Bier. Im Gegensatz zur heutigen Jugend, die oftmals (nicht immer) mit Wodka und süßen Mixturen ihr Verlangen nach hohen Alkoholdosen stillt, hatten wir es damals mit extremen Katern zu tun. Diese werden vor allem durch die Fuselöle im Whisky ausgelöst, die gleichzeitig zu den Geschmacksstoffen des Whiskys unbedingt dazu gehören. Im Gegensatz zum weitgehend geschmackslosen und fuselöllosen Wodka lebt Whisky auch von der Reifung in Eichenholzfässern. Sie verleihen dem Whisky über die Reifezeit von mehreren Jahren sein unverwechselbares Aroma.

Und genau dieses Aroma sollte uns in den folgenden Jahren vor weiterem Schaden bewahren. Denn sowie man den Geruch eines Whiskys in die Nase bekam, warnte uns unser Gehirn mit seinem Mandelkern (Amygdala) durch einen Würgereiz. Leider ist das heute bei den jugendlichen Wodkatrinkern nicht mehr der Fall.

Mit zunehmendem Alter legt der weiser werdende Mensch in der Regel weniger Wert auf Äußerlichkeiten und richtet seinen Blick mehr nach innen. Und hat man erst mal seinen Partner fürs Leben gefunden und sich mit Job, Karriere und Immobilie etabliert, so bleibt immer weniger Zeit, sich bei sozialen Gelegenheiten extrovertiert zu geben. Meist fällt bei den wenigen Gelegenheiten der Alkohol ganz flach, weil man ja noch fahren muss.

Und dann kommt der Moment, in dem ein guter Freund einem wieder einen Schluck aus einer Whiskyflasche anbietet. Doch statt dankend wie früher abzulehnen, so glauben Sie diesmal Ihrem Gegenüber und seiner Aussage in Sachen hoher Qualität und probieren den angebotenen Dram.

Was folgt ist uns allen bekannt. Was für eine Offenbarung findet sich in diesem Stück Handwerkskunst! Heutige hochwertige Whiskys und Whiskeys lassen sich nicht mit den Blends vergleichen, die wir früher getrunken haben.

Und wenn man erst einmal die Geschmacksvielfalt moderner Whiskys und Whiskeys kennengelernt hat, so lassen sie einen nicht mehr los. Denn im Gegensatz zu früher geht es heute nicht mehr um die Außenwirkung, sondern das innere Erlebnis. Nicht mehr die Gruppe herrscht vor, sondern das eigenen Empfinden. Und damit sind wir wieder am Anfang. Am Streben nach dem eigenen Glück.

Nun will ich damit nicht behaupten, dass Whisky ein Getränk für introvertierte Menschen ist. Whisky hat sich im Gegensatz zum Wodka mehr und mehr weg von der Wirkungsspirituose entwickelt. Es geht zwar um individuellen Genuss, den man jedoch sowohl alleine nach vollbrachtem Tageswerk zu Hause aber auch gemeinsam mit Freunden, zu Zweit oder in größerer Gruppe, erleben kann.

Diese besondere Genusseigenschaft statt reiner Alkoholwirkung hat dazu geführt, dass Whisky global das größte Sprirituosensegment stellt. Zwar hat es zwischendrin immer mal wieder Hypes anderer Spirituosen gegeben. Doch so schnell diese Sterne auch aufstiegen (Tequila, Mezcal, Wodka, Rum, Gin), so schnell sind sie meist wieder verschwunden. Diesen Spirituosen ist zwar das gesellschaftliche Trinken gemeinsam, aber ihnen fehlt in der Regel die Genusskomponente für zu Hause.

Seit Jahrhunderten hat sich Whisky jedes Jahr aufs neue die Herzen der nachwachsenden Generationen erobert. Und das liegt nicht in einem schnellen Marketing begründet. Die prinzipiellen Geschmackseigenschaften des jeweiligen Getreides gepaart mit der mehrjährigen Reifung meist in Eichenfässern trifft das prinzipielle Geschmacksempfinden des Homo sapiens. So war es und so wird es aller Voraussicht nach auch bleiben. Forever Whisky!