Fasslagerung

Die Fassreifung hat den größten Einfluss auf den späteren Geschmack eines Whiskys. Denn während der Zeit im Fass wird der Brennereicharakter, den der Whisky während des Destillierens erhalten hat, ergänzt und verändert. Gerade Single Malt Whisky lagert oft lange im Fass und hat dadurch sehr viel Zeit, Aromen aus dem Holz aufzunehmen. Doch nicht allein die Dauer des Reifeprozesses macht diesen so einflussreich. Es kommt vor allem auf den Fasstyp an, in dem der Whisky reift. Dieser bestimmt wesentlich, wie sich der Geschmack von Scotch Whisky, Bourbon und Irish Whiskey über die Jahre verändert. Verschiedene Faktoren spielen hierbei eine bedeutende Rolle: die Größe und das Alter des Fasses, die Stärke des Ausbrennens, die Holzart und vor allem der vorherige Inhalt des Fasses.

Die Fassaufbereitung ist aufwändiger als man zunächst vermuten könnte. Es passieren viele Schritte, bevor man aus einem Baum ein einsatzbereites Fass gefertigt hat und mit Whisky befüllen kann. Zunächst wird das Holz in Dauben geschnitten. Damit diese nicht - im wahrsten Sinne des Wortes - steif wie ein Brett bleiben, werden sie thermisch aktiviert, also eine halbe Stunde bei rund 200 Grad gedämpft, damit man sie in die richtige Form biegen kann. Dieses auch Toasten genannte Verfahren trennt gleichzeitig die Zellulose in der Daube in Holzzucker auf, der bei 150°C karamellisiert. Da die Erhitzung auf der Innenseite des Fasses erfolgt, entsteht auch nur bis etwa zur halben Dicke der Daube das Karamel. Sägt man eine Daube durch, so kann man eine rote Linie (red layer) als Grenze der Umwandlung erkennen. Aus diesem Karamell erhält der Whisky auch einen Teil seiner Farbe.

Die fertig zusammengebauten Fässer werden nun mit voller Flamme für drei bis fünf Minuten ausgebrannt und anschließend mit kaltem Wasser abgeschreckt, wodurch sich eine Holzkohleschicht an der Fasswand bildet. In dieser Kohleschicht lagern sich bei der Reifung die scharfen Substanzen im Whisky ab, der dadurch milder wird. Dieser Vorgang ist in etwa vergleichbar mit der Art wie ein Aktivkohle-Wasserfilter funktioniert.

Ist ein Fass größer, wie zum Beispiel ein Sherryfass (500 Liter), so braucht der Whisky länger, um darin seine Reife zu erlangen als in kleineren. In Quarter Casks (125 Liter) reift Whisky besonders schnell.

Einen sehr großen Einfluss auf den Geschmack des Whiskys hat die Flüssigkeit, die zuvor im Fass lagerte. Am geschichtlichen Anfang der Reifung von Whisky wurden traditionell ehemalige Sherry- und Portweinfässer verwendet. Sie lagen durch den Import dieser Starkweine nach Großbritannien in ausreichender Stückzahl vor. Mit dem Anstieg der Popularität des schottischen Whiskys wurden vermehrt ehemalige Bourbonfässer verwendet, die sich nach dem zweiten Weltkrieg als Quasi-Standard etablierten. Inzwischen ist neben den traditionellen Sherry- und Portweinfässern auch die Reifung oder Nachreifung in Weinfässern jeder Art üblich geworden. Sherry und Portwein sind nach wie vor sehr beliebt bei Genießern, es gibt aber auch mehr und mehr Barrique-Fässer, da sich Wein mit einer Reifung in Eichenfässern besser und besser verkauft. Neben der meist europäischen, würzigen Eiche steckt noch das Aroma des Weins in der Fasswand und wird sehr zügig vom Whisky aufgenommen.

Entscheidend ist die Art des vorher im Fass lagernden Weins. Kräftige Starkweine, zum Beispiel Sherry, geben mehr Geschmack ab und verändern auch die Farbe des Whiskys deutlicher, als ein Weißwein wie beispielsweise ein Chardonnay. Je nach Dauer der Reifung können die Resultate sehr unterschiedlich sein. Manchmal werden Malts ausschließlich in frischen Sherryfässern gereift und damit stark von Sherry und Eiche beeinflusst. Ein anderes Mal wird der Whisky nur ein paar Monate nachgereift und erhält zwar das Sherryaroma aber weniger Eichennoten.

Beliebt für Nachreifungen und Komplettreifungen sind vor allem die beiden Sherrysorten Pedro Ximénez, abgekürzt einfach PX, sowie Oloroso. Ersterer ist sehr süß und gibt Noten von dunklen Früchten, Rosinen und Sirup an den im Fass (nach-)reifenden Whisky ab, wie beispielsweise an die Lagavulin Distillers Edition. Der Oloroso Sherry verleiht dem Whisky ein tiefes, nussiges Aroma mit Noten von reifen dunklen Früchten, wie zum Beispiel beim Dalwhinnie Distillers Edition von 2018.

Ebenfalls gerne verwendet werden Fässer, in denen zuvor Portwein oder Likörweine reiften. Whisky, der in Ex-Tawny-Portfässern reift, erhält dadurch sehr fruchtige Noten mit Nüssen, Karamell, Schokolade und Tabak. Fässer, die zuvor Ruby Port enthielten verleihen dem Whisky eine Art trockene Süße mit sehr fruchtigen Aromen, vor allem von dunklen Früchten. Ein Beispiel hierfür ist die Distillers Edition des Cragganmore 2016, die etwa drei Monate in Portweinfässern nachreifte. Auch mit Likörwein-Fässern wird in der Whisky-Reifung experimentiert. Beliebt sind unter anderem Madeira, der Würzigkeit, leichte Fruchtigkeit, Süße und auch Trockenheit in den Whisky bringt, sowie Marsala, der den Whisky süß, komplex und würzig werden lässt.

Rot- und Weißweinfässer werden des Öfteren für die Reifung oder Nachreifung von Whisky verwendet. Rotweine haben dabei natürlich den größeren Einfluss auf die Farbe des Whiskys, der je nach Zeit im Fass eine tiefe rote Farbe annimmt. Amarone- und Barolofässer sorgen vor allem durch die im Wein enthaltenen Tannine für ein leicht trockenes Mundgefühl des Whiskys. Beide bringen fruchtige Aromen und Noten getrockneter Früchte mit. Ehemalige Bordeauxfässer beeinflussen Whisky vor allem mit Aromen dunkler Früchte, wie Beeren oder Weintrauben. Weißweinfässer haben aufgrund der Farbe des Weins hingegen wenig Einfluss auf die Farbe des Whiskys. Die Aromen, die der Whisky durch die Reifung im Weißweinfass bekommt, sind vor allem frisch, leicht und süßlich. Ein Chardonnayfass verleiht dem Whisky vor allem trockene, leichte und frische Noten tropischer Früchte - wie etwa dem 10-jährigen Glen Moray, der gänzlich in Chardonnayfässern reifte - während ein Muskatellerfass eher süß-florale Noten mit Zitrus und Pfirsich an den Whisky abgibt. Ein Beispiel hierfür ist der 16-jährige Tyrconnell der sein Finish sowohl in Oloroso Sherry- als auch in Moscatelfässern erhielt. Sauternesfässer haben ebenfalls einen süßen und trockenen Einfluss auf Whisky mit Noten von Zitronenschale sowie leichten Früchten (Arran Sauternes Cask Finish), während Tokajerfässer Noten von leichten frischen Früchten wie Zitrone oder Mango einbringen.

Kommt der Whisky in ein frisches Weinfass, so kann er viel von dessen Aroma aufnehmen. Da solche Fässer sehr teuer sind, werden sie oft für mehrmalige Lagerungen von Whisky verwendet. Nachdem der erste Whisky die meisten Aromen des Weins aufgenommen hat, kann der zweite deutlich weniger vom Fass beeinflusst werden. Diese Fässer werden in der Branche mit dem Zusatz Refill bezeichnet. Steht nichts auf dem Etikett, muss man von der Farbe des Whiskys auf den Fasstyp schließen, was bei gefärbten Whiskys nicht ganz zuverlässig ist.

Tipp: Achten Sie künftig einmal auf die Geschmacksnoten von Amarone, Barolo, Chardonnay, Tokajer und Co. Einige davon werden vielleicht auch in Ihrem Lieblingswhisky zu finden sein!